Danny Boyle. Bild: LOCOG„Es ist unmöglich“, sagten die Kritiker. Manche von ihnen bemitleideten Danny Boyle für seine „Naivität“, andere gratulierten dem 55-jährigen Filmemacher respektvoll zum „schwierigsten Regisseurs-Job der Welt“. Er bestand darin, eine dreistündige, teils streng reglementierte Show für 80 000 Besucher und eine Milliarde Fernsehzuschauer so spannend zu machen, dass die Menschen davon noch Jahre später schwärmen werden.
Der Oscar-Preisträger Boyle wusste, dass er das grandiose Olympia-Eröffnungsspektakel in Peking nicht übertrumpfen konnte. Zudem hat er mit einem Budget von 27 Millionen Pfund dreimal weniger Geld zur Verfügung, als die Chinesen 2008 verpulvert haben. Sein Konzept einer inszenierten englischen „Landidylle“ im Stadion mit Wiesen, Gemüsebeeten, Bauern und echten Tieren wurde im Juni bei der Vorstellung als „Teletubby-Spiele“ verrissen. All das hätte normalerweise ausgereicht, um einem Film- und Bühnen-Profi den Schlaf zu rauben. Nur nicht Danny Boyle. „Das ist die furchteinflößendste Aufgabe, die ich je angepackt habe“, gestand in einem Interview der Brite. „Aber es ist gut so. Wir haben Spaß… meistens jedenfalls“.
Wie typisch. Der sympathische und humorvolle Brillenträger mit dem zerzausten Haar ist ein Spezialist für intelligente, mutige Projekte fernab jeder Konvention, die Kultstatus erlangt haben. „Trainspotting“ – eine schwarze Komödie über Heroin-Junkies in Edinburgh (1995) – war ein Meilenstein der englischen Filmgeschichte. Mit dem düsteren Horrorthriller „28 Tage später“ (2007) erfand Boyle das Zombie-Genre neu. Nach den acht Oscars für das bittersüße Low-Budget-Drama „Slumdog Millionaire“ (2008) folgte ein bewegender Bergsteiger-Schocker „127 Stunden“ (2010), der manche Zuschauer in Ohnmacht fallen ließ. Zuletzt machte Boyle mit dem schrägen Theaterstück „Frankenstein“ in London von sich reden, in dem die Kreatur und ihr Schöpfer regelmäßig die Rollen wechselten.
Er hat immer viel riskiert und dafür meistens Applaus bekommen. Duch Olympia war ein undankbares Mammutprojekt. Was hat den erfolgsverwöhnten Künstler dazu motiviert, diesen Job zu übernehmen? „Danny kann nicht einfach nur herumsitzen, seinen Oscar polieren und mit seinen Erfolgen protzen. Er liebt Herausforderungen“, schrieb seine Biografin Amy Raphael. „Ich habe nicht eine Sekunde überlegt, bevor ich zugesagt habe“, sagte er selbst. Einer der Gründe sei seine große Liebe zu London. „Die Stadt hat mir alles gegeben“, sagt Boyle, der um die Ecke vom Olympia-Stadion in Stratford lebt. Heute Abend hat sich das sentimentale Genie dafür bei der Achtmillionen-Metropole bedankt.
Und die ganze Welt hat über den spektakulären, epischen, rührenden, selbstironischen, einfallsreichen Geniestreich gestaunt. Danke, Danny!