„Goooooooooold!“, jubelt die „Sun“. „Goldfieber!“, jauchzt der „Daily Express“. Und gleich mehrere Blätter titeln am Donnerstag neben dem Bild des triumphierenden Radfahrers Bradley Wiggins: „King of the Road“. So groß war die Freude der Briten über ihre Olympiahelden, dass sie die Tower Bridge im goldenen Glanz erstrahlen ließen und extra einen goldenen Thron zum Hampton Court Palast schleppten, um den coolen „Volkschampion“ Wiggins mit den leuchtend roten Koteletten darauf fotografieren zu lassen. Ich hatte erwartet, dass die Queen zum Anlass der ersten großen Erfolge des „Team GB“ eine Sonder-Fernsehansprache zur Nation hält. Wahrscheinlich weilt die 86-jährige Königin jedoch gerade in den Sommerferien in den schottischen Highlands, wo sie nicht gestört werden darf, es sei denn, der populäre „Wiggo“ meldet tatsächlich unerwartet seinen Anspruch auf die britische Thronfolge an.
Sie hatten noch gestern über ihren olympischen Medaillenmangel würdevoll gejammert und einander getröstet. Ob Fußball-Turniere, Wimbledon oder eben Olympia: Die Briten fühlen sich traditionell ganz wohl in der Rolle der leidenden „Underdogs“. Doch wehe, es gibt mal einen spektakulären Erfolg. Die sportbegeisterte Inselnation verliert augenblicklich den Boden unter den Füßen und steigert sich in einen patriotischen, optimistischen Rausch hinein, der nur mit einer Enttäuschung enden kann. So wie jetzt: Über Nacht sieht sich das Königreich wieder als heißen Anwärter auf Platz Drei im Medaillenspiegel hinter USA und China. Plötzlich gelten die neun Milliarden Pfund teuren Spiele nicht mehr als Geldverschwendung. In einer aktuellen Umfrage bezeichneten sich 50 Prozent der Inselbewohner als Fans der fünf Ringe.
Beleuchtete Brücken sind schön und gut, doch wie bedankt sich Großbritannien bei seinen Helden? Woanders im Ausland kriegen die Athleten ihre Goldmedaillen mit Geldprämien versüßt. So soll Malaysia angeblich pro Olympia-Sieg eine halbe Million Euro zahlen. Die deutschen Sportler bekommen je 15 000 Euro geschenkt. Dagegen erhielten Wiggins und die beiden Gold-Ruderinnen Heather Stanning und Helen Glover für ihre Glanzleistungen jeweils 60 Pence (76 Cent). So viel kostet nämlich jede der 100 000 Briefmarken mit dem Konterfei der britischen Champions, die die Royal Mail in den Umlauf bringt. Nach Überzeugung des nationalen Olympia-Verbands BOA muss das als Belohnung ausreichen.
Diese Spezial-Marken werden im Rekordtempo hergestellt. Nach jedem Olympiasieg wählen die Designer schnell ein markantes Foto vom entsprechenden Wettkampf des Siegers heraus, dann werden die Druckmaschinen angeworfen, über Nacht bringen 90 rote Postautos die begehrten Souvenirs in 500 Postfilialen auf der ganzen Insel. Das ist noch nicht alles. Zusätzlich zu den Briefmarken werden die großen gusseisernen Briefkästen in den Heimatstädten der Olympiasieger golden eingesprüht. Es ist eine Premiere: Seit 1874 hat es nur rote Briefkästen auf der Insel gegeben. Doch die Anbetung der britischen Goldmedaillengewinner soll nicht ewig andauern. „Nach einer Weile werden die Briefkästen wieder ihre natürliche Farbe bekommen“, hieß es bei der Royal Mail.