"God save the Queen" - viele Briten können es gar nicht oft genug sagen. Ich weiß nicht, wie es bei Paul McCartney zu Hause aussieht. Aber manche Fans der Königin haben ihre Wohnzimmer in Altare verwandelt. Foto: Alexei Makartsev Darf ich vorstellen: Mein neuer Ohrwurm. „Her Majesty’s a pretty nice girl, but she doesn’t have a lot to say…“ Geschrieben von Paul McCartney für den 69er Beatles-Kracher “Abbey Road”, 22 Sekunden lang, schmucklos und sehr direkt: „…someday I’m gonna make her mine“. Hoppla! Paul, der alte Monarchist, hatte 16 Jahre zuvor in einem Schulaufsatz zur Krönung der Queen bereits wie ein erfahrener Hofpoet die Qualitäten der „bezaubernden jungen Elisabeth“ besungen, deren Herrschaft seiner Meinung nach damals „durch Zuneigung geprägt“ war statt durch „rohe Kraft“. * 1997 revanchierte sich die Königin bei ihrem treuen Fan mit dem „Sir“-Titel.
„Ein nettes Mädchen“, ja, das bleibt „Her Majesty“ auch mit ihren 83 Jahren für die Briten. Viele würden es nicht zugeben, so wie man seine heimliche Zuneigung zum hoffnungslos romantischen, altmodischen Pet-Shop-Boys-Pop oder der spindeldürren Gestalt einer Victoria Beckham für sich behält. Doch nach drei Jahren in England bin ich überzeugt, dass die Queen in diesem Land ein Teil des Lebensgefühls ist, das man nicht so leicht loswerden kann. So wie die frustrierenden Wettervorhersagen („trübe und regnerisch mit stürmischem Wind“), die verzweifelten Schreie des Parlamentssprechers in einer bewegten Westminster-Debatte: „Order! Order!“, oder die Gänsehaut beim Baden im eisigen Atlantik um die Insel herum. Wobei die muntere und energische Queen bei allen Briten die ich kenne, keine Gänsehaut auslöst, sondern ein warmes Lächeln. Oder schlimmstenfalls ein Schulterzucken.
Elisabeth II. wird respektiert, gerade weil sie als machtlose Herrscherin in einem Ex-„Empire“, das nur ein Schatten seiner selbst ist, „nicht viel zu sagen hat“, um einmal mehr die Beatles zu zitieren. Und sie wird bewundert wegen ihrer Bodenständigkeit und der Volksnähe, die allerdings von den Medienstrategen im Buckingham-Palast geschickt inszeniert werden. Letztes Beispiel: Am Montag fuhr die Queen mit der Bahn von ihrem Landhaus Sandringham zur Arbeit, das heißt, in den Palast. In ihrem blauen Mantel, mit dem geblümten Kopftuch und einem schwarzen Handtäschchen sah sie auf dem Bahnhof von King’s Lynn wie jede andere Reisende aus.
Die Zeitungsfotografen waren selbstverständlich vorgewarnt. Die übrigen Passagiere nicht. Dementsprechend dumm guckten sie aus der Wäsche. Vielleicht auch weil der Zug mit dem Staatsoberhaupt an Bord ausnahmsweise pünktlich losfuhr. „Mitarbeiter des Palastes glauben, dass die Königin den vollen Fahrkartenpreis von 44,40 Pfund bezahlt habe, statt ihren Senioren-Rabatt von 14,70 Pfund in Anspruch zu nehmen“, diktierten die Mitarbeiter des Palastes in die Reporter-Blöcke. So etwas wirkt sympathisch, nicht wahr? Bei mir ließ dieser Berichte den erwähnten Ohrwurm im Kopf spielen, den ich seitdem nicht wieder loswerden kann.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Queen als Quasi-Normalsterbliche unters Volk mischt: Im Oktober 2009 quetschte sie sich mit den Worten „Sorry, darf ich mal durch?“ überraschend in eine der vorderen Sitzreihen im New London Theatre, das ein Drama über den Ersten weltkrieg zeigte. Im Mai 2008 drehte die Königin vergnügt die Runden in einem Park mit der Kindereisenbahn. Und im Jahr davor setzte sie sich ans Steuer ihres Jaguars, um zu einem Polospiel in Windsor zu fahren. Natürlich berichteten die Medien jedes Mal groß. Ich weiß, wen das ärgern wird: Die Antimonarchisten von der Organisation „Republic“, die die Windsors wohl am liebsten nach Sibirien schicken würden. In den kommenden zwei Jahren werden sie mit ihren Forderungen jedoch sicher auf taube Ohren stoßen: Denn das Königreich will mit einem Riesenaufwand das Diamantene Thronbesteigungs-Jubiläum von Elisabeth II. am 6. Februar 2012 feiern, an dem alle Briten einen freien Tag bekommen sollen.
Als die Feiertags-Idee im November 2009 diskutiert wurde, konnte ein rebellischer Politiker aus London nicht seine Wut zurückhalten. Peter White beschimpfte die Queen öffentlich… als „Ungeziefer“. „Warum sollen wir eine privilegierten Person feiern, die wie ein Parasit das Land aussaugt“, fragte er auf seiner Facebook-Seite. Zwar entschuldigte sich White wenig später wortreich für seinen Ausfall. Doch es war zu spät: Der Möchtegern-Abgeordnete wurde kollektiv ausgebuht und von der Liste der potenziellen Labour-Kandidaten bei der nächsten Wahl gestrichen. „Her Majesty’s a pretty nice girl“, basta! Hätte White nur auf Paul McCartney gehört…
* Der Aufsatz des zehnjährigen Paul über die „bezaubernde Elisabeth“ im Original wird zum Diamantenen Jubiläum der Queen von der Stadtbibliothek Liverpool ausgestellt.