König Henry VIII. bei Madame Tussauds in London. Migranten im Königreich müssen beim Einbürgerungstest auch einige Fragen über die Tudors beantworten. Fotos: almWelche Blume wird am englischen Volkstrauertag getragen? Wer leitet die Debatten im Westminster-Parlament? Und wie hieß der Mann, der den Geldautomaten erfunden hat? Wenn Sie die Antworten auf diese Fragen nicht kennen, haben Sie aus der Sicht des Londoner Innenministeriums keine Ahnung vom „Britentum“ und sind deshalb nicht würdig, ein Bürger des Vereinigten Königreichs zu werden. Aber selbst wenn Ihnen der Name James Goodfellow bekannt ist, würde Ihre Majestät Elizabeth II. es begrüßen, wenn Sie das Königreich der Pubs, Bärenfellmützen und roten Telefonzellen weiter aus der Ferne anschmachteten.
Denn die liberal-konservative Koalitionsregierung von David Cameron will die angeblich ausufernde Einwanderung und Einbürgerung auf der Insel beschränken. Ein Mittel dazu ist der neue, schwierige Test mit dem Namen „Leben in Großbritannien“, den jeder potenzielle Neu-Brite ab März bestehen muss. Die 50 Pfund teure Prüfung für den britischen Pass besteht aus 24 Multiple-Choice-Fragen, 75 Prozent müssen binnen 45 Minuten richtig beantwortet werden. Ende Januar ließ der zuständige Minister Mark Harper ein 180 Seiten langes „patriotisches“ Handbuch zum offiziellen Wissensquiz veröffentlichen. Daraufhin wurde er von Medien und Historikern beschuldigt, die britische Geschichte zu politischen Zwecken verzerrt und neue Barrieren vor Migranten errichtet zu haben.
“Very british” und lustig obendrauf – rote Telefonbox mit Giraffe. Wer sich einbürgern lassen will, muss sich mit solchen Symbolen des Königreichs identifizieren können. Der sogenannte „Britishness“-Test ist seit acht Jahren für jeden Pflicht, der die Queen zu seinem Staatschef machen möchte. Jährlich scheitern angeblich 30 Prozent der Ausländer an dieser Hürde. Dabei ließ die Regierung des damaligen Premiers Tony Blair 2005 neben Fragen zu Kultur und Geschichte zahlreiche praxisnahe und für Migranten nützliche Aspekte in die Prüfung aufnehmen. Sie lernten beispielsweise bei der Vorbereitung, wie man in Großbritannien einen Termin beim Arzt macht, den Zugfahrplan liest, eine Beschwerde gegen die Polizei einlegt oder sich Geld leiht. Damit soll jetzt nach dem Willen der Koalition Schluss sein.
„Das neue Buch konzentriert sich auf die Werte im Herzen unserer Gesellschaft“, erklärte Mark Harper. „Statt zu erklären, wie man Sozialleistungen beantragt, ermutigen wir die Menschen dazu, aktiver am öffentlichen Leben teilzunehmen“. Dabei verlangt die Regierung von den einbürgerungswilligen Migranten auch jede Menge Detailwissen. Welche Rolle spielte Großbritannien in Irland? Wie entwickelte sich der Parlamentarismus? Was geschah während der „glorreichen Revolution?“ Welche Rolle spielten die Narzissen im Leben des Romantikers Wordsworth? Die zukünftigen Einwanderer müssen sich nicht nur damit auskennen, sondern auch erklären können, warum die Inselbewohner das Gärtnern lieben und Monty Python lustig finden.
Mit dem “London Eye” kann jeder fahren. Aber wer kennt sich mit der Geschichte des britischen Parlamentarismus aus? Doch manche Briten können darüber nicht lachen. „Der neue Test unterstützt nicht die Integration der Menschen, er erinnert eher an eine elitäre Aufnahmeprüfung in eine englische Privatschule“, kritisiert Don Flynn von der Organisation Migrant‘s Rights Network. Andere Experten stören sich an der stark konservativen Sicht der britischen Geschichte, die das geänderte Handbuch vermittelt. So findet man darin nicht länger einen Hinweis darauf, dass Margaret Thatcher eine „umstrittene Figur“ gewesen sei, deren Politik zu einem „industriellen Niedergang“ geführt habe. Stattdessen wird die frühere Tory-Premierministerin als eine „Reformerin“ beschrieben.