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Der Blog von der Themse
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Streichholzschachtel voller Diamanten
Veröffentlicht von Alexei Makartsev in Reisen, Paris, Hemingway • 23.11.2009 14:35:12

Chimären beobachten Paris von den Türmen des Notre-Dame. Fotos: alm

Ich hatte mich als Teenager in Paris verliebt, lange bevor ich es erstmals besucht hatte. Schuld daran war ein berühmter Schriftsteller, der mich in meiner beruflichen Evolution als Journalist stark beeinflusst hat: Ernest Hemingway. In seinem autobiografischen Meisterwerk "Paris - Ein Fest fürs Leben" beschrieb der geniale Amerikaner, wie er von 1921 bis 1926 einige arme, aber glückliche Jahre in der wunderbaren Metropole an der Seine verbracht hatte. „Der Wind warf die Blätter in den großen grünen Bus an der Endhaltestelle. Das „Café pour les amants“ war überfüllt und seine Fenster waren beschlagen von der warmen Luft und dem Tabakrauch“, erinnerte sich Hemingway (meine Übersetzung einer russischen Buchfassung). "Eine junge Frau betrat das Café und setzte sich an einen Tisch am Fenster", schrieb er weiter. "Sie war sehr hübsch, und ihr frisches Gesicht strahlte wie eine frisch geprägte Münze, wenn man Münzen aus dieser weichen, vom Regen befeuchteten Haut prägen könnte".

Dieser Darstellung der Stadt und ihrer Einwohner wohnte eine magische Schönheit inne. Wenn Paris ein ewiges „Fest“ sei, dachte ich mit 14 Jahren, dann sei es sehr ungerecht, dass ich nicht einmal durch ein Schlüsselloch einen Blick auf diese Party werfen könne. An eine Urlaubsreise nach Frankreich war Mitte der 80er Jahre in Moskau nicht zu denken. Schließlich baute das „Sowjetvolk“ hinter dem "Eisernen Vorhang" und unter dem Kommando der Partei noch immer seinen angeblich überlegenen Super-Sozialismus. Dabei durfte keiner fehlen. Wer Erholung brauchte, fuhr auf die Halbinsel Krim oder in das kommunistische "Bruderland" Bulgarien am Schwarzen Meer. Paris blieb für mich viele Jahre lang ein unerfüllbarer Traum wie für ein armes Kind das Disneyland.


Spektakulär: Das abendliche Leuchten des Eiffel-Turms

Darum war ich begeistert, als mir im Sommer 1997 meine zukünftige Frau vorschlug, mit einem VW-Campingbus an die Atlantikküste bei Biarritz und anschließend nach Paris zu fahren. Wir hatten damals leider nur einen Tag für die Stadt, an den ich später oft zurückgedacht habe. Nicht nur wegen der lächelnden Mona Lisa im Louvre, der Musik in den grünen Boulevards und der geselligen „Bouquinistes“ am Notre-Dame. Am selben Abend, an dem wir Paris verließen, verunglückte dort tödlich Prinzessin Diana. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Unsere Route führte damals nicht durch den Tunnel Pont de l'Alma, in dem der schwarze Mercedes der „Königin der Herzen“ gegen einen Pfeiler geprallt war.

Jetzt war ich wieder in Paris. Nur 48 Stunden lang, doch es hat gereicht, um sich ein zweites Mal zu verlieben. Wieder warf der Wind die nassen Blätter in die offenen Touristenbusse, und die Cafés waren voll, nur schwitzten ihre Fensterscheiben nicht, weil die chinesischen Klimaanlagen in Betrieb waren. Wie viele junge Franzosen sprach die dunkelhäutige Kellnerin in der Brasserie am Centre Pompidou kaum Englisch. Sie verstand mit Mühe, dass ich Bandnudeln mit Lachs haben wollte. Ein junger Mann führte seine geschwätzige Mutter zum Essen aus, doch er konnte seinen Blick nicht von einem Rugbyspiel im Fernsehen fortreißen: Frankreich gegen Samoa. Draußen bliesen die Raucher ihre bläulichen Schwaden gegen eine Regenwand. Unten in der Toilette leerten die beschwipsten Männer ihre Blasen an einem Urinal, der in Brusthöhe nur durch eine kleine Tür vom gemeinsamen Waschraum getrennt war. Die Frauen äugten neugierig hinüber. Ich musste mich beeilen, weil ich vor Mitternacht noch den Arc de Triomphe besteigen wollte. Unterwegs in der U-Bahn blieb ich vor einem Werbeplakat stehen, der einen schmelzenden Schneemann am Südseestrand zeigte. Mit einem schwarzen Stift hatte jemand „Sarko“ darauf geschrieben.


Geister-Kunst im ehemaligen finsteren Gefängnis Conciergerie

In einem Artikel über London hatte ich einmal die britische Metropole ein quer über die Themse liegendes „Riesenei“ genannt, wegen ihrer Dimensionen (doppelt so groß wie New York) und der elliptischen Form. Verglichen mit London ist die französische Hauptstadt eine Streichholzschachtel. Ich muss hinzufügen: Eine Schachtel voller Diamanten. Die mühelose Eleganz der Pariser Straßen und Plätze übertrifft selbst die raffinierte Harmonie des Londoner Stadtdesigns. Die Franzosen haben es geschafft, selbst den schamlosen Gigantismus solcher historischen Perlen wie Panthéon und La Madeleine so organisch mit dem feinen Straßengewühl der lebhaften Viertel Tuileries und Quartier Latin zu verschmelzen, dass die großen Gebäude dort nicht mehr und nicht weniger auffallen als gewaltige Eichen in einem jungen Wald. Anders als in London oder in Moskau ist in Paris alles schnell erreichbar. So schnell, dass man im Stakkato der „Métropolitain“-Stationen hinter dem Zugfenster leicht seinen Absprung verpasst, wenn man sich ablenken lässt. Auch ich tappte in diese Falle, als ich auf dem Weg von der Oper in den Stadtnorden minutenlang fasziniert einen Inline-Skater in der U-Bahn angestarrt habe, der auf dem leeren Bahnsteig kühne Pirouetten gedreht hat. Ich sah später noch mehr Skater im Stadtverkehr rollen: manche sogar rückwärts. Noch etwas anderes fiel mir in der französischen Metro auf: In der „Stadt der Liebe“ werden Kondome in Automaten fast an jedem U-Bahn-Ausgang verkauft. Ich wüßte gerne, warum.


Abendliche Café-Szene in der Pariser Innenstadt

48 Stunden vergingen schnell im musealen Rausch. Von Rodins Skulpturen zu Napoleons Grab, nicht zu vergessen die Chimären auf den Türmen des Notre-Dame, die himmlische Pracht der blauen Bleiglasfenster der Sainte-Chapelle, das abendliche Flackern des Eiffelturms und das fröhliche Chaos auf dem Montmartre. Der Puls der Stadt schlug deutlich langsamer als mein eigener. Ich wollte möglichst viel sehen, darum verschob ich das Flanieren in den Boulevards auf ein anderes Mal. Es tat mir leid, Paris zu verlassen. Etwa so, wie man einem wunderbaren Fest den Rücken zukehrt. Zum Glück soll dieses Fest ja lebenslang dauern, so wie Hemingway das versprochen hat.


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