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Warten auf Wunder in der Wüste: Briten und der Krieg
Veröffentlicht von Alexei Makartsev in Libyen, Krieg, Gaddafi, Großbritannien • 21.03.2011 22:24:37

Grafik: John Chuckman Blog (many thanks, John)

Gestern hat mir ein deutscher Freund in London erzählt, dass er im Büro von Engländern ausgespottet wurde. Es ging um Libyen. Die Briten können nicht begreifen, wie solch ein einflussreiches Land wie Deutschland (das sie offen respektieren) und solch eine „Powerfrau“ wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (die sie insgeheim bewundern) sich vor dem legitimen Kampf gegen den Diktator Gaddafi drücken können. “Die Untätigkeit ist auch eine Entscheidung, sie ist eine Politik, die Konsequenzen haben wird”, schrieb vor ein paar Tagen Ex-Premier Tony Blair in der “Times”. Autsch, ein Seitenhieb – ihr wisst schon, gegen wen.

Ich weiß nicht, ob in Deutschland gerade in jeder Kebab-Bude die Reichweite von „Tomahawk“-Marschflugkörpern diskutiert wird. In Großbritannien ist der Krieg jedenfalls sehr präsent. Er beherrscht die Titelseiten der Zeitungen, die TV-Nachrichten, die Talkshows, die Debatten im Parlament und die Gespräche in den sozialen Netzwerken. Manche finden die Angriffe gegen die libysche Flugabwehr so spannend wie Fußball. “Top Guns gegen Verrückten Hund – 1:0? titelte heute die “Sun“. Ich bin nicht sicher, ob die jungen Leute, die vor ein paar Wochen die zehn Millionen Pfund teure Luxusvilla von Saif Gaddafi im Norden Londons besetzt haben, noch immer dort ausharren. Wenn ja, bloggen sie jetzt wahrscheinlich von dort stündlich ihre Kriegsanalysen in die weite Welt hinaus. Der „Daily Telegraph“ schrieb am vergangenen Freitag von einem 19-jährigen Engländer, der sogar sein Uni-Studium schmiss, um mit den Rebellen in Bengasi zu kämpfen. „Hoffentlich zeigen sie mir, wie man mit einem Gewehr schießt. Bislang habe ich nur Erfahrungen mit einem Wii“, gestand „Sam“ einem Reporter in der Wüste. Der Teenager konnte übrigens kein Wort Arabisch.

Warum ist diese Kampagne den Briten so wichtig? Es gibt sechs Gründe dafür. Erstens: Der Krieg ist ein gewaltiges multimediales Ereignis, das viele Menschen neugierig macht. Zweitens: Er lenkt von innenpolitischen Problemen, der Arbeitslosigkeit, den Steuererhöhungen, den Stellenkürzungen, den explodierenden Studiengebühren etc. ab. Das ist übrigens auch eine Erklärung, warum sich die britische Regierung so hineinsteigert. Drittens: Das Königreich, das wirtschaftlich und politisch zunehmend die globale Bedeutung verliert, will gerne in einer Offensive mit UN-Mandat den Ton angeben und sich wichtig fühlen. Viertens: Nach den mäßig erfolgreichen bis ruhmlosen Kriegen in Afghanistan und im Irak brauchen die britische Generäle einen Erfolg. Und die Bevölkerung, die anders als in Deutschland das Militär verehrt, gönnt es ihm gerne. Fünftens: Es gibt in London ein Gefühl der Scham, dass man Gaddafi und andere Diktatoren so lange toleriert, hofiert und für eigene Zwecke benutzt hat. Damit hängt auch der sechste Grund zusammen: Ich glaube, dass sich gerade das Wesen der britischen Außenpolitik ändert, in der Moral und Werte eine größere Rolle spielen werden. Es ist noch ein langer Weg, doch Cameron hat gerade einen ersten kleinen Schritt getan.

Das bedeutet nicht, dass die Briten einen langen Krieg führen wollen (und können). Die irakische Schmach sitzt tief. Ich sehe gerade, wie die Diskussion, ob man nicht zur Abkürzung der Operation „Odyssey Dawn“ einfach Gaddafi ermorden könnte, an Tiefe und Intensität gewinnt. Aus der Sicht vieler Briten wäre das ohnehin die beste Vergeltung für den Terroranschlag von Lockerbie 1988, der auf das Konto des Geheimdienstes geht. Manche Analysten nennen in diesem Zusammenhang ein weiteres Motiv: Je länger Gaddafi an der Macht bleibe, desto wahrscheinlicher werde eine Ost-West-Spaltung des instabilen Landes mit dem darauffolgenden Chaos, das keiner sehen will. Schließlich könnten die Rebellen mit zunehmender Dauer der Gefechte verstärkt zu terroristischen Kampftaktiken übergehen. Ob Cameron, Obama & Co Unbehagen bei dem Gedanken an eine mögliche neue Generation von arabischen Selbstmordattentätern haben? Wahrscheinlich schon.

Einen interessanten Gedanken las ich heute in einem BBC-Blog, wonach sich die Militärs in London die Kontrolle über der Küstenstadt Ajdabiya zum Mindestziel im Kampf gegen Gaddafi gemacht haben. Warum? Ajdabiya mit 75 000 Einwohnern ist ein wichtiger Knoten des weltweit größten unterirdischen Netzwerks von Leitungen, der die Städte und Siedlungen in der libyschen Wüste mit Wasser speist. Gaddafi nennt es das „achte Weltwunder“. Wasser soll der Schlüssel zum Sieg in diesem Krieg sein. Behält Gaddafi Ajdabiya unter Kontrolle, könnte er womöglich Bengasi verdursten lassen, das angeblich kaum noch Wasservorräte hat. Es würde mich gar nicht wundern, wenn jetzt die britischen SAS-Kommandos dort nach besten Zielen für die „Tomahawks“ suchen würden. Natürlich gibt in London niemand zu, dass die Spezialeinheiten zwischen den Fronten in Libyen aktiv sind. Offiziell heißt es: „Bodenkämpfe sind ausgeschlossen“. Wer, wenn nicht die SAS, hat aber gestern Alarm geschlagen, als die britischen Tornados zu einem 4800 Kilometer weiten Einsatz von einer RAF-Basis in Norfolk abhoben? Am Ziel des geplanten Raketenangriffs waren Zivilisten (angeblich auch CNN-Reporter). Als die „Schatten“ London darüber informierten, ordnete das Verteidigungsministerium den Abbruch der Mission an.

Es ist ein schwieriger Krieg. Natürlich hat der Despot in Tripolis aus Bosnien, dem Irak, Afghanistan und anderen Konflikten gelernt. Es gibt genügend Fanatiker um ihn herum. „Odyssey Dawn“ wird uns noch lange beschäftigen. Die angebliche arabische Einheit gegen Gaddafi ist eine Fata Morgana. Die Ressourcen der Koalition sind begrenzt. Es ist unmöglich, mit Raketen die Regierungstruppen zu bekämpfen, die sich in Misurate, Sirte und anderen Städten verschanzt haben. Es wird kein Wunder in der Wüste geben. Oder doch? Ich würde mich so gerne täuschen.

Für Libyen-Interessierte noch ein paar Twitterquellen:

- Britische Fregatte @HMS_Cumberland twittert (inoffiziell), Holländer @FMCNL hört Militärfunk der Alliierten ab

- interessante Twitter-Quellen @LibyanTNC @lebeeya @bungdan @Libya_United

- witere Twitter-Quellen aus dem Kriegsgebiet: britischer Reporter @robcrilly, @OnlyOneLibya, @ChangeInLibya

- US-Kommandozentrale der OP Odyssey Dawn auf Twitter: @USAfricaCommand





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