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"Wind of Change" auf Kirgisisch: die Anti-Tulpenrevolution
Veröffentlicht von Alexei Makartsev in Kirgisien, Umsturz, Tulpenrevolution, Zentralasien, Russland, USA, Geopolitik • 11.04.2010 20:24:31

Land der „Himmelsberge“: Das muslimische Kirgisien an der legendären „Seidenstraße“. Fotos: alm

Ich habe diese Tage sehr viel an Kirgisien gedacht. Wer nicht weiß, wo Kirgisien liegt: Wenn Sie eine Linie von Moskau nach Laos ziehen, dann wird es etwa in der Mitte liegen. Übrigens: Wussten Sie, dass kein anderes Land auf unserem Planeten so weit weg von Weltozeanen liegt wie das kleine Kirgisien an der legendären „Seidenstraße“, das wegen seiner vielen Berge auch als „zentralasiatische Schweiz“ genannt wird? Außerdem ist es das einzige Land weltweit, in dem die geopolitischen Konkurrenten USA und Russland beide je eine Militärbasis haben. Ich dachte also wehmütig an die weißen „Himmelsberge“ Tian Shan, die eisig blaue Perle Issyk-Kul, den funkelnden Sternenhimmel über der Barskoon-Schlucht und die aromatisch dampfende Suppe Lagman, als meine schönen weichen Haus-Filzschuhe aus Bischkek nach fünf Jahren auseinander fielen. Ausgerechnet jetzt. Der Filz ist das Problem, das mich mit 5,5 Millionen Menschen in der 5 800 Kilometer entfernten, bitterarmen Republik eint. Ich ärgere mich über die altersschwachen Wollfasern der löchrigen Fußtextilie. Die Kirgisen ärgern sich über ihren korrumpierten Staat, die Menschenrechtsverletzungen und den Verrat ihrer früheren Helden, die sie bei der „Tulpenrevolution“ 2005 bejubelt haben.

Sie dürften vielleicht gehört haben, dass im armen Land am 7. April ein Umsturz stattgefunden hat, der bislang 81 Kirgisen das Leben gekostet hat. Nach einer Gewaltexplosion in der Hauptstadt Bischkek werden mehr als 1000 verletzter Menschen in Krankenhäusern behandelt. Präsident Kurmanbek Bakijew versteckt sich vermutlich in Jalalabad im Süden des Landes, er will nicht zurücktreten. Unterdessen droht die Chefin der Übergangsregierung und Ex-Außenministerin Rosa Otunbajewa den „Menschen, die mit Unterstützung des Volkes an die Macht gekommen waren, und die Feinde des Volkes geworden sind“ mit Vergeltung. Otunbajewa will „ehrlich und selbstlos“ für die Zukunft der Kirgisen arbeiten. Wunderbar. Leider haben wir das alles schon mal gehört.


Ich mag sehr gerne die Kirgisen - gastfreundliche, naturverbundene und bescheidene Nomaden

Der „sanfte“ rundgesichtige Intellektuelle Askar Akajew war ganz anders als seine tyrannischen Nachbarn und Amtskollegen Nasarbajew, Alijew & Co, so schien es. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte der erste Präsident Kirgisiens das gebirgige Land von der doppelten Größe Portugals in eine „demokratische Oase“ des postsowjetischen Mittelasiens verwandelt, in dem bis heute oft autoritäre Winde wehen. Leider blieb Akajew nicht gegen die Große Versuchung der Macht immun. Der „asiatische Demokrat“ fand es bequemer zu regieren, indem er die Staatsmacht privatisiert, die Schlüsselpositionen im Staatsapparat nach dem Clanprinzip besetzt, die Medien an die kurze Leine genommen und die Opposition aus allen wichtigen Ämtern vertrieben hat. 15 Jahre nach dem Antritt Akajews hatte die „liberale Insel“ Zentralasiens mit einer relativ weit entwickelten Zivilgesellschaft genug vom alten Filz. Im März 2005 griff der Geist der ukrainischen „orangenen“ Revolution gegen korrumpierte Machthaber auf Kirgisien über: Ein Aufstand im armen kirgisischen Süden griff auf den wirtschaftlich besser entwickelten Norden über, ein gewaltiger Wirbelsturm fegte binnen wenigen Tagen Bischkek vom Machtmissbrauch, Betrug und Seilschaften sauber.

Der Auslöser der Proteste war eine offensichtlich grob gefälschte Parlamentswahl, in der regierungsfreundliche Kandidaten 90 Prozent der Stimmen bekommen hatten (darunter Akajews Sohn und Tochter, wie nett…). Die vom Westen vorsichtig gefeierte „Tulpenrevolution“ war jedoch nicht makellos. Sie hatte weder charismatische und konsolidierte Führung noch eine breite Unterstützung im gespaltenen Volk. Sie verlief gewaltsam und anarchisch. Als damaliger Zeitungskorrespondent in Moskau kann ich mich gut erinnern, dass sich die kirgisische Opposition binnen Tagen zerstritten hatte. Mit viel Mühe gelang es Kurmanbek Bakijew das Land zu stabilisieren. Drei Monate später holte sich die treibende Kraft der „Tulpenrevolution“ bei einer angeblich ehrlichen Wahl die demokratische Legitimation. „Unsere Zukunft – das sind Arbeit und Einigkeit“, versprach auf Plakaten der „Mann des Südens“, der nicht nur die Korruption bekämpfen, sondern auch dem muslimischen Land die „traditionellen Werte“ zurückbringen wollte. Offenbar ließ sich Bakijew jedoch von der Macht noch viel schneller korrumpieren als Akajew.


Da war er noch ein Held: 2005 klebten die Kirgisen gerne Fotos von Bakijew an ihre Autofenster

Jammerschade. Ich reiste als Reporter Mitte 2005 kurz vor der Wahl auf den Spuren der „Tulpenrevolution“ durch Kirgisien. Zwischen den matt glänzenden Wassermelonenhügeln, zwischen aromatischen Fladenbrotpyramiden und Plastikschälchen mit Gewürzen hörte ich im Stimmenwirrwarr der malerischen Märkte immer wieder einen Namen: Bakijew. „Ein anständiger Mann, er wird die Korruption vernichten“, sagten die Menschen. „Er wird unseren Kindern Arbeit geben“, jubelten sie. „Ich bin für Bakijew, weil er uns den Frieden garantiert“, sagte mir freudig eine junge Frau in Osch, die an einem Goldstand mit einem Mund voller goldener Zähne für ihre Ware warb. Ich mag die Kirgisen sehr gerne. Sie sind gutmütige, sanfte, gastfreundliche und bescheidene Menschen. Sie freuten sich wie Kinder über ihren zentralasiatischen „Wind Of Change“. Zugleich wussten sie: Wenn dieser Mann scheitere, dann würde ihr Land vielleicht seine große Zukunftschance verspielen. Ich würde jetzt so gerne das Stimmengemurmel der südkirgisischen Märkte hören.

Alles wiederholt sich. Akajew warf 2005 der Opposition vor, mit dem von „dritten Kräften“ im Ausland bezahlten „gefährlichen und destruktiven Staatsumsturz“ die Interessen der Drogenmafia im Süden Kirgisiens zu verteidigen. Jetzt sagt Bakijew in einem BBC-Interview, dass die Rebellion in Bischkek eine von ausländischen Kräften „bestens vorbereitete geheime Operation“ gewesen sei. Anders als vor fünf Jahren triumphiert diesmal der kirgisische Norden über dem Süden, doch hat sich sonst wirklich viel verändert? Ich erinnere mich an ein Gespräch mit der Konfliktforscherin Raja Kadyrowa in Bischkek 2005. Die „Tulpenrevolution“ gegen die Korruption und Vetternwirtschaft sei noch nicht an ihrem Ende angekommen, warnte die kluge Frau: „Denn sie hat einen Teil der politischen Elite ausgetauscht, aber nicht das System“. Die korrumpierte Bürokratie des alten Regimes sei geblieben, sie würde sich nach der Wahl gegen Reformen wehren, prophezeite die Expertin. Kadyrowas düsteres Fazit lautete: In Kirgisien würde künftig noch Blut fließen. Wie recht sie gehabt hat! Ich finde das sehr traurig.


Die eiskalte kirgische "Perle" Issyk-Kul ist der schönste See Asiens

Meine Filzschuhe sind in der Mülltonne gelandet. Wie geht es jedoch weiter in Kirgisien? In der unreifen asiatischen Clan-Demokratie spielt der Parlamentarismus offenbar weiter eine unbedeutende Rolle. 2005 konkurrierten in der Opposition mehrere machthungrige Politiker um Einfluss, die verschiedene regionale Machtgruppen im Norden und Süden repräsentierten. Ich glaube nicht, dass sich daran viel geändert hat. Das Parteiensystem in Kirgisien bleibt so schwach entwickelt, dass die Kollision der unterschiedlichen politischen Interessen wohl nicht auf eine demokratische Weise im Parlament gelöst werden kann. Alles hängt wie immer von Personen ab. Rosa Otunbajewa ist heute eine Heldin, die im Namen des Volkes gegen die „repressive Tyrannei“ kämpft. Morgen könnte sie zum Volksfeind mutieren. Ich hoffe aber nicht.


Zwei Mädchen in Osch. Wenn sie groß geworden sind, werden vielleicht noch immer noch die Großmächte Russland und die USA über Kirgisiens Zukunft entscheiden.

Die geografische Lage Kirgisiens in einer „Sackgasse“ der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an der Grenze zu China macht die Perspektive der „Anti-Tulpenrevolution“ ungewiss. Die Atommächte Russland und die USA werden eine Destabilisierung des Landes in Folge eines potenziell gefährlichen Machtvakuums im ethnisch konfliktreichen Drei-Länder-Geflecht um jeden Preis vermeiden wollen. Beide Staaten unterhalten in Kirgisien Luftwaffenstützpunkte, die fortbestehen sollen. Daraus ergibt sich ein Problem: Ob demokratisch oder nicht, die Zukunft des kleinen rückständigen Landes wird wohl weiterhin von den geostrategischen Interessen der Großen geprägt sein. Leider.

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